Warum wir die "Richtlinie zur Spendenvergabe an Ehrenamtler in der Flüchtlingshilfe" kritisch sehen

 

 

 

 

In der Sitzung der Stadtvertretung am 31.05.2017 hat die Forum21-Fraktion folgende ablehnende Stellungnahme zur Vorlage 2017/20/001

"Richtlinie zur Spendenvergabe an Ehrenamtler in der Flüchtlingshilfe" vorgetragen.

 

 

 

 

 

Wir begrüßen das ehrenamtliche Engagement in der Flüchtlingshilfe, die Zuwendung zu Menschen, die in ihrer jeweiligen Notsituation, Krieg und Vertreibung Schutz in Deutschland suchen und der Stadt Reinbek zur Betreuung zugewiesen worden sind.

 

 

 

 

 

Es geht hier heute (nur) um eine Richtlinie, mit der Geldspenden der Bürger an Einzelpersonen für die Betreuung von Flüchtlingen ausgegeben werden sollen.

 

 

 

 

 

Und hierzu werde ich unsere Entscheidung vortragen und erläutern:

 

 

 

I

 

 

 

Die inhaltlichen Ausführungen und die vorgesehene Ausgestaltung der sog. Ehrenamtsvereinbarung können eigentlich nur als Bürokratie-Monster verstanden werden.

 

Die landesweite Übereinkunft, die Arbeit der unterschiedlichen Ehrenamtler-Betätigungen weitgehende bürokratie-arm zu ermöglichen, verkehrt sich mit dieser Richtlinie in ihr Gegenteil.

 

Man muss sich allein nur die Regularien zur Antragstellung und Antrags-Gewährung anschauen.

 

Aber: dieser bürokratische Aufwand ist allein dem Umstand geschuldet, dass hier Geldspenden an Einzelpersonen übergeben werden, nicht an eine rechtsfähige Organisation, die rechenschafts-fähig und rechenschafts-pflichtig ist.

 

 

 

Bleibt aber ein Bürokratie-Monster.

 

 

 

Wenn dann der Sprecher der Initiative in der Haupt-Ausschuss-Sitzung am 30.05.2017 frohlockt, das werde alles nicht so bürokratisch schlimm, er habe das schon mit dem Amtsleiter geklärt: es würde so weiter laufen wie bisher, dann kann ich nur staunen….

 

 

 

 

 

II

 

 

 

 

 

Diese Richtlinie ist unangemessen:

 

 

 

Es wird eine Regelung getroffen für einen relativ klar umgrenzten Bereich der Flüchtlingshilfe. Ich erinnere daran, dass die ursprünglichen Betreuungsfelder Sprachunterricht, Sport&Spiel, Gesundheit bereits von rechtsfähigen Organisationen übernommen worden sind.

 

Der Sprachunterricht wird unter dem Dach des AWO-Ortsvereins organisiert und finanziert, die TSV Reinbek hat die Leistungen Sport&Spiel übernommen, die Leistung Gesundheit wird nach einem Vermerk vom/über das St. Adolfsstift wahrgenommen.

 

Was übrig bleibt sind die Leistungen der individuellen Begleitung und Betreuung, für die hier eine singuläre Richtlinie beschlossen werden soll.

 

Das ist völlig unangemessen.

 

 

 

Auf meine Frage im HA am 30.05.2017, warum keine Vereinsgründung oder eine Mitwirkung in einem vorhandenen Sozial-Verein analog der anderen Leistungsbereiche erfolgen könne – das ist übrigens der Weg, den Initiativen kreisweit gewählt haben oder wählen, ist so beantwortet worden, dass man seitens der Initiative keinen Verein gründen wolle, weil dadurch bis zu 50% der Tätigkeit mit Vereinsregularien gebunden würden. Das mit 50% „Vereins-Meierei“ stellt eine sehr starke Überzeichnung dar. 50%: muss man nicht so sehen, scheint uns auch ein wenig durchdachtes Argument zu sein.

 

Eine Antwort auf meine 2. Frage habe ich nicht erhalten, offenbar ist das nicht ernsthaft geprüft worden.

 

 

 

 

 

III

 

 

 

Die Begeisterung für und die Forderung nach dieser einzelpersonen-bezogenen Richtlinie, das ist schon ziemlich enttäuschend: ganz offenkundig besteht kein Interesse an einer zukunftsbeständigen Organisation, einer Organisationsform, die „unsterblich“ ist, rechtsfähig und antragsbefugt ist.

 

Denn das Land stellt aus verschiedenen Programmen Finanzmittel für ehrenamtliche Integrationsmaßnahmen, für die Anstellung von kompetenten Profis, für den Aufbau stabiler Strukturen zur Verfügung.

 

An diese Programme wird die aus Einzelpersonen bestehende Initiative nicht heran kommen. Das kritisieren wir nicht, jede Gruppe hat die Aufgabe, eigenständig ihre Zukunfts-Entwicklung zu gestalten.

 

Damit ist die große Chance, stabile und in die Zukunft weisende Strukturen auszubauen, erstmal vertan.

 

Aber das ist dann ja auch eine Chance für bestehende Organisationen, diese Programme anzuzapfen und Strukturen vor Ort aufzubauen, die die Flüchtlingsinitiative ja erkennbar nicht aufbauen will.

 

 

 

Enttäuschend sage ich aus folgendem Grunde:

 

Seit April 2016 ist im Rathaus bekannt, dass die damalige Praxis der Übergabe von Spendengeldern an private / Einzelpersonen konfliktbefangen ist.

 

Dennoch wird das Verfahren nicht unterbunden, sondern es werden bis Ende 2016 insgesamt über 77.000 Euro auf diesem Wege verteilt.

 

Erst Ende 2016 wird unseres Wissens die Initiative informiert über das Ende dieser Verteilungs-Praxis.

 

Bis Ende Januar 2017 werden weiterhin Spendengelder auf diesem Wege verteilt.

 

Also doch einige Zeit, in der eine zukunftsbeständige Organisation aufzubauen ist. Diese Zeit ist erkennbar nicht genutzt worden, was ich sehr schade finde.

 

 

 

 

 

Noch etwas fällt auf:

 

 

 

Der Sprecher der Initiative hat mehrfach in öffentlichen Sitzungen und deutlich von der Verwaltung eine sog. „Datenschutzerklärung“ eingefordert, er möchte die persönlichen Daten der oder aller Flüchtlinge haben, damit er entsprechend reagieren kann wie er das nannte. Warum das erforderlich sein soll? Keine Ahnung!

 

Gestern im Hauptausschuss hat der Sprecher seiner Freude Ausdruck gegeben, dass nunmehr in der neuen Richtlinie ihm dieses Recht zugestanden sei.

 

 

 

Wie bitte?

 

Aber hallo!

 

Eine entsprechende Regelung haben wir in der Richtlinie nicht entdeckt!

 

Im Gegenteil: jede Einzelperson wird über den personenbezogenen Ehrenamtsvertrag auf den Datenschutz und die Verschwiegenheit verpflichtet.

 

Die Führung von Listen von betreuten Flüchtlingen, sogar mit personenbezogen Daten, Angabe von Nationalitäten, Anzahl der Kinder und Jugendlichen und der Wohnungen, ja vielleicht sogar die Verteilung solcher Listen dürfte den Datenschutzbestimmungen und den Persönlichkeitsrechten der Flüchtlinge zuwiderlaufen, es ist auch ziemlich naiv und personengefährdend, solche Listen zu erstellen und zu verbreiten.

 

Hier ist die Verwaltung gefordert, sofort ein zuschreiten…..

 

 

 

 

 

Zusammenfassend:

 

 

 

Wir stimmen dieser Richtlinie – und nur darum geht es heute – nicht zu,

 

 

 

da sie

 

 

# ungemessen ist

 

 

 

# ein Bürokratie-Monster ist

 

 

 

# und keinen Aufbau einer zukunftsbeständigen Struktur darstellt.

 

 

 

 

 

Und auch nochmal zur Klarheit:

 

 

 

Es ist das Recht, der Initiative, sich ihre eigene Struktur zu geben.

 

Es ist auch legitim, bei Stadt, Kreis, Land Anregungen und Forderungen vorzubringen.

 

 

 

Es ist Recht und Verantwortung der Fraktionen, diese Anregungen und Forderungen zu würdigen und zu bewerten, ihnen zuzustimmen oder diese abzulehnen.

 

 

 

Unsere Entscheidung habe ich hiermit sachlich und öffentlich dargelegt.

 

 

 

 

Heinrich Dierking